Warum die Erbse das neue Fleisch ist?

Als Kind war er bereits schnell, zielstrebig und ein leidenschaftlicher Esser. Heute, rund 32 Jahre später, bringt Lukas Böni sein Können als Chef, seine Leidenschaft für pflanzenbasiertes Fleisch, sein Innovationsgeist als Labor-Tüftler und sein guter Geschmackssinn in sein Start-up Planted ein. Das Jungunternehmen mischt die Lebensmittelindustrie gewaltig auf und arbeitet mit Hochdruck daran, den Begriff «Fleisch» verschwinden zu lassen.   

Lukas Böni kam zwei Monate zu früh auf die Welt. Er kämpfte bereits als Frühchen ums Überleben. Das hat ihn geprägt: Heute ist der Abgänger der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Mitgründer des Millionunternehmens Planted und verfolgt damit ein grosses Ziel: Er will Fleisch abschaffen – und der Weg dorthin geht so: Böni griff 2007 zum Hörer. Ein paar Telefonate mit seinem Cousin Pascal Bieri, einige Gespräche mit seinem Professor und das Dazu holen eines Experten namens Eric Stirnemann auf dem Gebiet der Strukturierung von Pflanzenproteinen führten dazu, dass heute im Kemptthal eine Produktionsstätte für Erbenfleisch steht. Im Zentrum der Stätte präsentiert sich das Herzstück des Unternehmens, eine Maschine namens Extruder. Nach intensivem Herumtüfteln mit dem Extruder – die Feineinstellung ist das Geheimrezept – gründeten die drei jungen Männer 2019 zusammen mit dem Betriebsökonomen Christoph Jenny, einem Schulfreund von Bieri, die Firma Planted. Sie setzten bei der Produktherstellung weniger auf den Geschmack, viel mehr auf das «Mundgefühl». Pro Jahr produziert Planted rund 130 Tonnen Erbsenfleisch. Zusatzstoffe oder Konservierungsmittel gehören nicht auf die Zutatenliste, dafür aber Gelberbsenproteine, Erbsenfasern, Rapsöl, Wasser und Vitamin B12. Im Januar 2022 soll in Kemptthal eine zweite Produktionslinie hinzukommen und die Kapazität verdoppeln. Bereits heute arbeiten 120 Menschen für das Start-up.

Fleischersatzprodukte sind ein Riesengeschäft

2007 war der Markt für Fleischersatzprodukte Übersee bereits ein Riesengeschäft. Im Wachstumsmarkt tummeln sich zahlreiche Firmen wie der 2009 gegründete US-Konzern Beyond Meat. Oder alteingesessene Nahrungsmittelriesen wie Nestlé. Trotzdem, Planted hat sich als Start-up am Schweizer Markt gut etabliert. Beim Schweizer Detailhändler Coop sind die Produkte sehr beliebt. In Deutschland wird das Erbsenfleisch bereits in Tausenden Edeka-Filialen verkauft, und seit Kurzem ist es auch in ersten Läden in Frankreich erhältlich. Im Juni dieses Jahres platzierten sie zudem ein veganes Wiener Schnitzel auf der Speisekarte des Wiener Traditionshauses Figlmüller. Der Erfolg spricht für sich und zog gleichzeitig bekannte Investoren an.  

 

Der Begriff «Fleisch» soll verschwinden

Kurz nach der Gründung erhielten die Gründer einen ETH-Förderbetrag von 150.000 Franken (138.000 Euro), wenige Monate später waren bekannte Schweizer Investoren wie der Eternit-Erbe Stephan Schmidheiny, der Denner- Erbe Philippe Gaydoul und der Vegi-Erbe Rolf Hiltl mit sieben Millionen Franken (6,4 Mio. Euro) mit an Bord. In späteren Finanzierungsrunden stiegen zeitgeistige Wagniskapitalgesellschaften wie Blue Horizon oder Good Seed Ventures ein. 40 Millionen Franken (36,8 Mio. Euro) Fremdkapital kamen so in zwei Jahren zusammen. Weshalb die Industrie boomt, und Investoren anzieht, zeigt die einfache Rechnung der Jungunternehmer: Die Welt kann ihren Fleischkonsum eigentlich schon lange nicht mehr leisten. In der Schweiz wird nach wie vor jährlich über 100.000 Tonnen Hühnerfleisch verzehrt. Dass die Ökobilanz eines Erbsenhuhns um ein Vielfaches besser ist, steht ausser Frage. Planted arbeitet jeden Tag an der perfekten Tierkopie. Auch wenn der Weg dorthin noch etwas dauert, so träumt Böni bereits von einer Zeit, in der es in den Supermärkten keine Fleischtheken mehr gibt, sondern Proteinregale. Sortiert nach Kuh, Weizen, Erbse, Schwein. Der Begriff «Fleisch» soll verschwinden. Und Planted will helfen, ihn auszulöschen.

 

Quelle: Die Zeit – Einmal Wiener Schnitzel bitte, aber vegan!,  22.09.2021